Blinder trägt Mitschuld an Sturz über E-Scooter
Für die einen sind sie eine umweltfreundliche Alternative zum Auto, für die anderen ein großes Ärgernis oder sogar eine Gefahr. Die Rede ist von E-Scootern. Insgesamt 2000 dieser Elektroroller dürfen aktuell im Stadtgebiet Bremen aufgestellt werden. Zwei von ihnen waren jetzt Gegenstand einer Klage vor dem Landgericht.
Ein von Geburt an blinder Mann war im Sommer 2020 über zwei umgefallene E-Scooter gestürzt und hatte einen Oberschenkelhalsbruch erlitten. Daraufhin verklagte er den Verleiher der Elektroroller auf Schadensersatz – allerdings ohne Erfolg. Die quer zur Hauswand abgestellten Scooter hätten die Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt, hieß es in der Begründung des Gerichts. Im Gegenteil: An Hauswänden müsste der Blinde auch mit vergleichbaren Hindernissen rechnen, wie zum Beispiel mit Fahrrädern, Baugerüsten oder Aufstellern von Geschäften und Restaurants. Nachdem der Mann den ersten Roller mit seinem Langstock ertastet hatte und ins Stolpern geraten war, fiel er über den zweiten Roller. Das Landgericht sprach ihm daraufhin eine Mitschuld an dem Unfall zu, da er sein Gehtempo entsprechend hätte anpassen müssen, nachdem er das erste Hindernis erkannt habe.
Für den Sozialverband VdK Niedersachsen-Bremen ist dieses Urteil absolut unverständlich. „Umgekippte oder im Weg stehende Elektroroller stellen grundsätzlich für alle Verkehrsteilnehmer ein Hindernis dar, für blinde und sehbehinderte Menschen aber sind sie besonders gefährlich – wie dieses Beispiel gezeigt hat!“, warnte VdK-Landeschef Friedrich Stubbe. Es sei diskriminierend, dem Kläger nun eine Mitschuld an dem Unfall zu geben, „das ist ein ganz klarer Rückschritt in Sachen Inklusion.“ Der VdK verlangt deshalb – ebenso wie der Bremer Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein – eigene Abstellflächen für Elektroroller, strengere Kontrollen der Stadt und zusätzliche Gebühren der Anbieter, wenn ein Roller nicht korrekt abgestellt wurde. „Außerdem appellieren wir an die Nutzer, aber auch an die Behörden, die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen stärker zu berücksichtigen!“