Armut

Mehrere Centstücke liegen neben einer Geldbörse
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Unsere Forderungen im Detail:

Die Armutsgefährdungsquote in Niedersachsen lag 2023 bei 16,6 Prozent, in Bremen sogar bei 20,4 Prozent. Als armutsgefährdet gilt eine Person, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Armut ist verbunden mit Ungleichheiten und Benachteiligungen. Armen Menschen werden in der Gesellschaft in großem Umfang Teilhabe und Entwicklungsmöglichkeiten vorenthalten. Arme Menschen haben auch ein deutlich höheres Gesundheitsrisiko und eine niedrigere Lebenserwartung als nicht von Armut betroffene Personen. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung in Deutschland besitzt lediglich ein Prozent des Gesamtvermögens. Dagegen besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung rund zwei Drittel des Gesamtvermögens. Der VdK fordert, dass dieser Ungleichheit entschieden entgegengewirkt wird. 

Mehr als jedes fünfte Kind ist von Armut betroffen. Die Folgen für die betroffenen Kinder sind schlimm: Sie können sich nicht gesund und ausgewogen ernähren, sie leben oft in beengten Wohnverhältnissen, sie erleben häufig Benachteiligen im Bildungssystem und es besteht bei ihnen eine größere Wahrscheinlichkeit, auch als Erwachsene in Armut zu leben. Das Konzept der Kindergrundsicherung soll sicherstellen, dass alle Kinder ein Mindestmaß an materiellen Ressourcen haben, um ihre Entwicklung und Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Diese muss abhängig vom Einkommen der Eltern gezahlt werden. Ferner müssen Leistungen für Familien gebündelt werden und niedrigschwellig bei einer Stelle beantragt werden können.

Seit Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 steigt die Armutsrisikoquote in der Gruppe der Erwerbstätigen geringer an und hat damit einen positiven Effekt erzielt. Wichtig ist: Der Arbeitslohn für eine Vollzeitstelle muss so hoch sein, dass man im Erwerbsleben davon leben kann und eine Rente über dem Grundsicherungsniveau gewährleistet ist. Der VdK fordert deswegen, den gesetzlichen Mindestlohn auf mindestens 15 Euro zu erhöhen. 

Insbesondere ältere Arbeitslose leiden unter gesundheitlichen Einschränkungen. Die aktuelle Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes ist für sie häufig zu kurz, um eine neue Beschäftigung zu finden. Die Bezugsdauer muss daher gestaffelt nach Alter und Beitragszeiten stark erhöht werden. Außerdem fordert der VdK, dass die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende die Vermittlungschancen von älteren oder gesundheitlich eingeschränkten, Arbeitssuchenden, Menschen mit Behinderung und Langzeitarbeitslosen verbessern. Zielgerichtete Programme zur Wiedereingliederung, Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sind der richtige Weg, um Menschen wieder am Erwerbsleben teilhaben zu lassen. 

Regelsätze müssen Grundsicherungsempfängern in vollem Umfang zur Verfügung stehen. In der Praxis bekommen jedoch immer mehr Leistungsberechtigte nur einen anteiligen Regelbedarf, da dieser aufgrund von Darlehensrückzahlungen, Rückzahlungen überzahlter Leistungen oder Sanktionierungen gekürzt wurde. Immer mehr Leistungsbezieher sehen sich aufgrund der unzureichenden Regelbedarfe, insbesondere im Hinblick auf Stromkosten und Ansparbeträge für „weiße Ware“, gezwungen, Darlehen von den Jobcentern in Anspruch zu nehmen, um Waschmaschinen, Kühlschränke usw. zu erwerben oder um Stromschulden zu begleichen. Zur Rückzahlung dieser Kredite werden monatlich zehn Prozent des Regelsatzes abgezogen. Mehrere Darlehen können bis zu 20 Prozent des Regelsatzes ausmachen. Monatelang erhalten die Betroffenen dadurch nicht das verfassungsgemäß garantierte Existenzminimum. 

Die Leistungsträger übernehmen auch Mietkautionen und Genossenschaftsanteile nur in Form von Darlehen. Wegen der Höhe dieser Beträge müssen die Betroffenen häufig über Jahre hinweg mit einem gekürzten Regelsatz auskommen. Darüber hinaus sind im Regelsatz keine Bedarfe für Unterkunftskosten enthalten, weshalb eine Rückzahlung aus dem Regelsatz auch rechtssystematisch nicht korrekt ist. Die Art und Weise, wie Leistungen in der Grundsicherung als Darlehen gewährt werden, ihre sofortige Aufrechnung und die daraus resultierende systematische Unterschreitung des Existenzminimums müssen beendet werden. Typische sowie atypische Bedarfe sind erneut in Form von Einmalleistungen abzudecken, während Energiekosten als bedarfsorientierte Pauschale zu gewähren sind. 

Insbesondere durch die in letzter Zeit stark angestiegenen Miet- und Energiepreise geraten Menschen in Armut. Auch die, die mit Ihrem Einkommen bisher gut über die Runden gekommen sind, sind immer häufiger armutsgefährdet. Dies hat eine Kurzexpertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes im Jahr 2024 deutlich gemacht, in der eine wohnkostenbereinigte Armutsgefährdungsquote dargestellt wird. Auch hier ist Bremen mit 29,3 Prozent trauriger Spitzenreiter, Niedersachsen liegt mit 21,8 Prozent etwas über dem Bundesdurchschnitt. Der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Einkommen ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen und liegt bei von Armut betroffenen Menschen inzwischen bei 45,8 Prozent. 

Unterkunftskosten müssen rechtssicher und kostendeckend gewährt werden. Es ist bislang nicht gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, das die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenzen ermöglicht und gleichzeitig sicherstellt, dass auf dem Markt tatsächlich Wohnungen zu diesen angemessenen Mieten angeboten werden. Der VdK hält es deswegen für notwendig, die tatsächlichen Wohnkosten unbefristet für alle Leistungsbezieher zu übernehmen, solange ein solches Verfahren nicht eingeführt wird.

Auch das Wohngeld ist ein wichtiges Instrument, um hohe Wohnkosten zu kompensieren. Die Wohngeldreform ab 01.01.2023 war eine begrüßenswerte Verbesserung und ist weiter auszubauen, damit die angestrebte Ausweitung auf zwei Millionen Haushalte erreicht wird. Zugangshindernisse müssen abgebaut und das Wohngeld muss jährlich an die aktuelle Einkommens- und Wohnkostenentwicklung angepasst werden. 

 Hinsichtlich der Mietpreisbremse fordert der VdK, dass diese verlängert und reformiert wird. Mieterinnen und Mieter müssen vor übermäßigen Mietsteigerungen geschützt werden. 

Die neue soziale Frage dreht sich um den Klimaschutz. Die negativen Folgen des Klimawandels betreffen insbesondere Menschen mit geringem Einkommen, Senioren und Kinder. Besonders ältere Menschen und Kinder tragen die gesundheitlichen Lasten zum Beispiel aufgrund von Hitze und Luftverschmutzung. Menschen mit geringem Einkommen sind stärker von den finanziellen Belastungen zum Beispiel in Form der CO2-Steuer betroffen. Daher ist Klimapolitik auch Gesundheits- und Sozialpolitik, und es bedarf Lösungen, die sicherstellen, dass die zusätzlichen Ausgaben gerecht auf die Schultern der Gesellschaft verteilt werden. Umweltpolitische Maßnahmen dürfen soziale Ungerechtigkeit nicht verstärken, während sozialpolitische Entscheidungen die Ziele des Klimaschutzes berücksichtigen müssen. 

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